Interviews Alumni
"Ich bin die Göttin meiner Zeichnung"
illuskills alumni talk #2 mit Julia Lohninger
Julia ist selbständige Illustratorin, Küchenplanerin und treue illuskills Alumni. Sie erzählt über Hochs und Tiefs, die Illustrator:innen-Szene Wiens und die Bedeutung eines starken Netzwerks.
Kathi: Julia, wie ist dein kreativer Hintergrund?
Julia: Ich habe mir viel selbst beigebracht. Als Kind und Jugendliche habe ich viel gezeichnet, habe meine gesamte Schulzeit damit verbracht, Pferdchen in Schulbücher zu zeichnen und wollte eigentlich früh in die Kreativwirtschaft.
Ein großer Einfluss war meine Schwester. Sie ist acht Jahre älter als ich. Sie hat sehr viel gezeichnet und ich wollte immer das machen, was sie macht. Ich habe gewisse Illustrationen aus Kinderbüchern noch ganz markant im Kopf. Als Kind habe ich das Buch "Knaurs Wintermärchen" bekommen. Ein russisches Märchenbuch aus dem Jahr 1959. Die Bilder sind mir bis heute nicht aus dem Kopf gegangen, sie wirken fast magisch auf mich. Die Illusrtationen stammen von Adrienne Ségur.
In Österreich war damals nicht wirklich bekannt, dass es den Beruf Illustrator:in gibt, trotzdem wollte ich in diese Richtung gehen.
Da gab es damals nur die Universität für angewandte Kunst, aber dort wäre ich nicht gut aufgehoben gewesen. Mir hat immer gegraust vor diesem "selbstständiger Künstler-Dasein". Ich wollte einen kreativen Brotberuf haben. Letztlich habe ich mich für Innenraumgestaltung entschieden und die HTL Mödling besucht. Bei Innenraumgestaltung und Möbelbau lernt man Basics, wie Perspektive zeichnen, im architektonischen Kontext. Seit dem Abschluss der Schule 2007 bin ich als Küchenplanerin tätig.
Dann kam mit 30 die Midlife-Crisis: Diesen Job soll ich jetzt noch mal 30 Jahre machen? Nein, sicher nicht 40 Stunden. So bin ich auf einer Berufsmesse auf illuskills gestoßen.
Ich bezeichne mich selbst nicht als Künstlerin. Ich bin eine Illustratorin. Ich bekomme eine Problemstellung von außen und die setze ich um.
Welche Motive und Themen magst du besonders gern?
Bei mir geht immer mehr in die Richtung Character Design. Ich überlege mir einfach total gerne Personen oder Tiere. Aber am liebsten zeichne ich Menschen. Ich bin bemüht, von meinem realistischen Stil wegzukommen. Das ist zwar mit viel Aufwand verbunden, aber es wird sich bestimmt auszahlen.
illuskills
Du hast gesagt, du hast illuskills auf einer Berufsmesse entdeckt?
Julia: Ja, ich glaube bei der BeSt Messe war ein illuskills Stand. Ich habe mich vor Ort erkundigt und kurz darauf mein erstes Seminar belegt - "Art Basics", danach "Medienillustration" und "Digitale Illustration". Dann war ich in Bildungskarenz und habe beim WIFI den Kurs "Digitaler Print Grafiker" gemacht. Seitdem bilde ich mich selbst weiter, schaue Tutorials. Die Basis hat mir auf jeden Fall illuskills gegeben.
Was hast du aus deiner Zeit bei illuskills mitgenommnen?
"Ich bin die Göttin meiner Zeichnung". Das war so ein Spruch von uns. Ich habe ganz viel von den Basics mitgenommen, z.B. was Projektmanagement bedeutet. Wenn man sich den Prozess von anderen Künstler:innen ansieht, merkt man, wie die Abläufe sind. In welchen Phasen Profis arbeiten. Davon habe ich mir viel angeeignet. Die Funktionsweise von Programmen wie Photoshop habe ich bei illuskills gelernt, davor habe ich mich damit gar nicht ausgekannt.
Mir hat es viel Kraft gegeben, zu wissen: Ich bin nicht alleine.
Es gibt andere Leute, die am Beginn stehen, jeder fängt bei null an und das ist nichts, wofür man sich schämen soll. Illuskills war ein Safe Space am Anfang, um sich ausprobieren zu können, die Fühler auszustrecken.
Schweißt es zusammen, zu wissen, man verfolgt denselben Traum?
Ja. Mir hat es geholfen, weil andere Personen dieselben Höhen und Tiefen miterleben oder erlebt haben. Ich bin überzeugt, egal wie tief ein Tief ist, trotzdem nicht aufzugeben. Es macht ja Spaß. Ich würde gerne mehr zeichnen. Man muss zulassen, dass man manchmal einfach wirklich keinen Kopf und keine Lust hat. Diese Pausen müssen möglich sein. Wenn ich mich uninspiriert fühle, hilft mir einfach das Zeichnen. Zeichnen inspiriert mich.
Wenn ich keine Ideen habe, zeichne ich Vorlagen ab. Man kann sich selber Challenges setzen. Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag ein Portrait zu zeichnen und auf Instagram posten. Da ist der Druck von Social Media positiv, dann kommt die Inspiration wieder.
Arbeit, Technik & Workflow
Mit welchem Techniken arbeitest du und wie sieht dein Workflow aus?
Ich arbeite inzwischen fast ausschließlich digital, mit Procreate. Früher habe ich viel Aquarell gemalt, später Gouache. Das mochte ich mehr, weil man da im Gegensatz zu Aquarell, korrigieren kann. Ganz klassisch, mit Buntstiften habe ich eine Zeit lang viel gearbeitet. Inzwischen arbeite ich oft und gerne digital.
Zu Beginn skizziere ich Thumbnails zur Orientierung. Nebenbei recherchiere ich, wobei ich oft aus dem Kopf anfange und danach die Recherche beginne. Damit ich weiß, was ich mir selbst vorstelle. Es hängt von den Kund:innen ab. Manchen Auftraggebenden schicke ich schon in frühen Stadien meine Entwürfe. Je nach Kund:in arbeite ich meine Illustrationen genauer oder weniger genau aus, es wird meistens mehrmals überarbeitet. Ich mag es gerne, wenn Kund:innen miteingebunden sind.
Gerade wenn ich selber unsicher bin, schicke ich immer mal wieder Updates. Für mich ist nicht alles eine Korrektur, vor allem in frühen Phasen eines Auftrages. Da können ohne großen Aufwand Veränderungen vorgenommen werden.
Welches Projekt hat dir besonders zugesagt?
Da denke ich direkt an einen Auftrag von "Vier Pfoten". Da ging es um Kaavan, einen asiatischen Elefanten, der in einem ganz furchtbaren Zoo gehalten wurde. Vier Pfoten haben ihn ausgeflogen und wollten dazu ein Comic für ihre sozialen Medien. Das Projekt war stressig, aber es hat nachher Wellen geschlagen. Das Feedback war toll, die Illustration ist in anderen Teilen der Welt sehr gut angekommen. Ich erinnere mich an eine Interviewanfrage, von einem Herrn aus Pakistan. Den Kontakt zum Kunden hat eine ehemalige Lehrerin vom WIFI ermöglicht. Sie hat mich damals empfohlen.
Was macht für dich gute Kund:innen aus?
Ich mag stetigen Kontakt und viel Rücksprache.
Ganz klar: respektvoller Umgang mit mir, meiner Arbeit und meiner Zeit. Gute Kund:innen erkundigen sich nach Nutzungsrechten und Co. Das ist in Österreich nicht selbstverständlich.
Hier herrscht noch eher die Mentalität: "Ach du zeichnest ja nur". Ich denke es liegt mitunter daran, dass es keine vollständige Illustrationsausbildung als Lehrberuf gibt. Wenn Unternehmen auf Stock Images zurückgreifen, wissen sie womöglich nicht, wie der Umgang mit Bildrechten ist. Daher kommuniziere ich viel mit Kund:innen, um so Probleme zu umgehen.
Wie ist dein Umgang mit dem Spannungsfeld Brotjob vs. Leidenschaft?
Ich habe mein Leben lang Plan B gemacht. Irgendwann muss ich mich trauen, Plan A zu machen. Plan A ist Illustration. Auf der einen Seite muss ich Rechnungen zahlen, und da ist es ganz angenehm, dass ich den Brotjob habe. Auf der anderen Seite finde ich oft nicht die Zeit, wirklich täglich zu zeichnen. Ich muss für Kund:innen erreichbar sein. Theoretisch habe ich neben der Arbeit drei Tage für mich, für die Illustration. In der Praxis sieht das oft nicht so aus. Ich habe Phasen, da finde ich die Küchenplanung super, ich weiß, ich bin darin gut. Es ist aber mein Wunsch "nur" Illustration zu machen.
Wenn ich einen Brotjob hätte, der mir total auf den Nerv geht, dann hätte ich wahrscheinlich einen anderen Antrieb dahinter, mich komplett auf Illustration zu fokussieren. Ich denke, man darf mit sich selber nicht so kritisch sein. Man sollte eine gute Balance finden. Wichtig ist es in jedem Fall, ein Umfeld zu haben, dass glücklich macht.
Kreative Community
Ein Umfeld, dass glücklich macht. Sind das neben Familie & Freund:innen auch Kolleg:innen?
Ja. Ich war zum Beispiel viel mit den Urban Sketchers unterwegs. Ich versuche, wieder öfter zum illuTisch zu gehen. Der ist am ersten Donnerstag des Monats und für Anfänger:innen ein heißer Tipp. Man geht einfach hin und hat einen lustigen Abend. Man kann dort sowohl coole Personen kennenlernen und plaudern oder netzwerken.
Wie schafft man es in diese Szene? Wie knüpft man Kontakte?
Einfach hingehen. Man kann online ganz viele Events finden. Ich bin Mitglied bei "designaustria". Das entwickelt sich gerade zu einem Netzwerk. Zudem bin ich auch mit den "Illustration Ladies Vienna" unterwegs. Es gibt viele Gruppen in Wien. Eine Möglichkeit ist eine Bürogemeinschaft. Ich glaube, das kann sehr befruchtend sein.
Ich weiß manchmal selbst nicht, woher die Jobs kommen. Man wird mehr wahrgenommen, als man denkt. Meine eigene Reichweite realistisch einzuschätzen, fällt mir oft schwer. Zum Beispiel habe ich über meine Bank einen Kunden bekommen. Ich habe mich viel mit den Mitarbeiter:innen unterhalten, die wussten, dass ich illustriere. Dann haben sie mich empfohlen und den Kontakt vermittelt.
Vielleicht sieht es ja irgendwann der/die Richtige - daher: präsent bleiben und netzwerken. Das ist lustig und man bekommt mit, welche Events besucht werden. Durch den Austausch können sich Kooperationen oder gemeinsame Projekte ergeben. Aber besten ist immer noch der persönliche Kontakt.
Was ist das Beste und was ist das Schlimmste am Illustrieren, an der Arbeit als Illustratorin?
Das Beste ist das Zeichnen, aus der eigenen Kreativität ein Produkt zu schaffen. Das Schlimmste für mich ist, dass ich selber meinen Antrieb finden muss. Ich bin dieser ewige Impostor: "ich bin so schlecht". Da führe ich im Grunde einen Kampf gegen meinen Kopf. Hinzu kommt der Umgang mit der Unsicherheit. Es ist nicht einfach, als Illustrator:in Fuß zu fassen.
Man muss einfach dranbleiben. Es ist wichtig, nicht die Geduld zu verlieren. Es dauert wirklich seine Zeit, bis man sich selber so vertraut. Den eigenen Fortschritt anzuerkennen, ist auch immer eine Frage der Selbstkritik.
Tipps & Tricks
Welchen Rat kannst du Beginner:innen geben, die in der Illustrationsbranche Fuß fassen möchten?
Zu Beginn müssen die Basics sitzen. Das Abzeichnen bringt natürlich etwas, man muss aber die Strukturen dahinter verstehen. Vom Kreis ausgehend zu den Proportionen. Schritt für Schritt. Ich habe damals einen illuskills Anatomiekurs belegt. Je mehr man zeichnet, desto besser werden die Zeichnungen. Der Animator Aaron Blaise meint, man muss seine schlechten Zeichnungen wegzeichnen. Man hat viele schlechte Bilder in sich, aber irgendwann sind die dann weg.
Ich denke immer zu viel nach. Deswegen stagniert es bei mir. Aber wenn man es wirklich machen will, ist es möglich. Es geht. Und Leute schaffen es. Einfach üben und sich nicht selbst fertig machen, auch nicht wegen des Brotjobs. Manche Illustrator:innen machen ihr Leben lang beide Dinge separat.
Wo bist du vertreten? Wo findet man dich und deine Illustrationen?
Ich habe natürlich eine Homepage. Aktiv bin ich auf Instagram und Facebook. Auf LinkedIn bin ich zusätzlich vertreten, für Kund:innen. Instagram ist meiner Meinung nach eine gute Möglichkeit, Arbeiten zu zeigen und Feedback zu bekommen.
Man darf aber in die Zahlen nicht zu viel hineininterpretieren. Die sagen nichts darüber aus, ob Kunst gut ist oder nicht. Es ist viel Arbeit, das muss einem liegen. Es gibt Leute, für die funktioniert das, die posten brav ergattern Jobs via Social Media. Durch die Logarithmen ist das leider immer wieder anders.
Ich denke, die Homepage ist wichtiger für ein professionelles Auftreten. Wenn man eine Person kennenlernt, googelt man sie, dann stößt man zuerst auf die Website.
Ich möchte in naher Zukunft eine Unternehmensberatung in Anspruch nehmen, es gibt geförderte Angebote von der WKO. Nicht davon zurückzuscheuen, sich zu informieren, wo man gefördert wird und diese Möglichkeiten letztendlich in Anspruch nehmen. Es gibt diese Angebote, wieso sollte man diese nicht nutzen?
Julia, vielen Dank für deine ehrlichen Antworten.
Danke dir, hat mich wirklich gefreut.
Urban Sketching, Live Zeichnen und Schildkröten
illuskills alumni talk #1 mit Sandra Biskup
Sandra Biskup ist seit 2012 selbständige Illustratorin und illuskills Power-Alumni. Sie erzählt über ihren Weg in die Selbständigkeit, die Relevanz von Pausen und ihre Erfahrungen bei illuskills.
Background
Kathi: Gut, legen wir direkt los. Erzähl mir etwas über deinen kreativen Hintergrund.
Sandra: Ich habe das Zeichnen eigentlich von klein auf durch meine Mutter mitbekommen. Die hat das immer sehr gern gemacht. Speziell Seidenmalerei und Aquarellmalerei. Ich zeichne, seit ich denken kann.
Für mich war für die Berufswahl früh Thema. Ich habe mich letztendlich für das Kolleg für Grafik,- und Kommunikationsdesign an HTL Linz entschieden. Als Grafikerin, da wäre man international unterwegs und hat die Möglichkeit eigene Projekte umzusetzen. Das fand ich toll. Vor allem, weil es nicht in die Richtung freier Kunst ging. Sozusagen Gebrauchsgrafik. Das hat mir zugesagt. Ich wollte etwas mit Sinn und Zweck machen und dennoch meine Kunst einbringen.
Ich war später ein Jahr im Ausland, bis ich mich entschlossen habe, den Job als Grafikerin zu forcieren.
Ist dein Faible für Meerestiere durch den Auslandsaufenthalt entstanden? Sie sind wiederkehrende Motive deiner Arbeiten. Was steckt dahinter?
Bei den Meerestieren, da ist eigentlich illuskills schuld. Im positiven Sinne. Ich habe damals die "Masterclass" gemacht. Ich bin damals viel getaucht und ich mochte die Ästhetik der Tiere. Sie haben es verdient, geschützt zu werden. Stichwort Klimawandel und Gefährdung des Lebensraumes. In dem Seminar haben wir Siebdruck gelernt und ich habe eine Schildkröte als Druckvorlage gezeichnet, die haben mich immer schon fasziniert. Während des Moduls habe ich damitT-Shirts bedruckt. Meine Freunde waren total begeistert, ich habe die Serie nach und nach erweitert.
Das ist jetzt nicht, dass ich durch das Projekt viel Geld verdiene, aber es ist mir ein Anliegen. Daher spende ich einen Teil der Einnahmen an die "Sea Shepherd Austria" eine Meeresschutz-Organisation. Das ist ein Herzensprojekt. Ich habe selbst viele T-Shirts mit den Tieren darauf- die ich gerne und stolz trage.
illuskills
Wie bist du zu illuskills gekommen, wenn du das noch weißt?
Ich habe einen Flyer per Post erhalten. Ich habe davor einen Kurs gemacht über Kinderbuchillustration und hatte bei einem Preiswettbewerb eingereicht. Daraus ist zwar nichts geworden, aber den Flyer vom illuskills Lehrgang "Medienillustrationen" habe ich bekommen. Ich war schon lange auf der Suche nach einer professionellen Ausbildung und auch Weiterbildung.
2008 habe ich mein erstes Seminar belegt. Das ist schon lang her. Danach habe ich die Seminare "Art Basics", "Digitale Illustration" und "Live Art History". Zum Schluss, die "Masterclass".
Welche Erfahrungen hast du in der Zeit bei uns gesammelt?
Ich habe damals als Grafikerin in einer Werbeagentur gearbeitet und hatte immer das Gefühl im Bauch, am liebsten nur zu zeichnen. Ich wollte Illustration beruflich machen und das hätte nur auf selbstständiger Basis geklappt.
Ich habe durch die Seminare mehr Sicherheit bekommen. Vor 10 Jahren habe ich es gewagt. Seither biete ich Grafikdesign und Illustration an. Das ergänzt sich gut.
Was mir sehr viel Spaß gemacht hat war, dass ich so viel ausprobieren konnte. Das waren sehr wertvolle Erfahrungen, die ich bei illuskills gesammelt habe. Die verschiedensten Techniken und Materialien kennenzulernen, fand ich super. So habe ich ein Gefühl dafür bekommen, wo meine Stärken liegen. Ich bin draufgekommen, dass ich lieber zeichne - ich bin keine Malerin, sondern eine Zeichnerin.
Ich habe im Laufe der Jahre viele Gleichgesinnte bei euch kennengelernt. In meinem Fall sind es wichtige Kolleg:innen geworden, bei denen ich auch heute noch Feedback einhole. Wir hatten damals eine Zeichengruppe, mit der ich oft unterwegs war. Da habe ich gemerkt, das schnelle Skizzieren liegt mir. So kam ich auch zu den Urban Sketchers.
Für mich ist dieses Netz wichtig, ich bin nicht die einsame Künstlerin, die allein ist und ihr eigenes Brot bäckt. So funktioniert das bei mir nicht.
Du hast die Urban Sketchers erwähnt, erzähl mir mehr davon.
Wir sind eine bunt gemischte Gruppe, von Hobby-Künstler:in bis Profi. Das lockert auf, es ist eine unbefangene Atmosphäre. Einfach nur zeichnen. So gehe ich auch leichter an Projekte heran, weg von der Getriebenheit.
Ich war vor drei Jahren in Vietnam und habe mit der lokalen Urban Sketchers Community Kontakt aufgenommen, dann wurde ein Treffen vereinbart. Zu sehen, wie sie gearbeitet haben, war faszinierend. Mit A3 Bögen und Füllfedern aus Bambus oder Pinseln. Das steht im Kontrast zu mir, mit meinem kleinem Notizblock.
Kam die Idee zum Stadtführer "Grätzlgekritzel" durch das Urban Sketching?
Richtig. Die Idee dazu hatte ich schon, wo ich das letzte illuskills Seminar gemacht habe, bei der Masterclass. Da mussten wir ein eigenes Projekt beginnend mit der Ideenfindung, über Recherche bis zum Projektmanagement ausführen. Es hat ein paar Jahre gedauert, aber das Buch ist fertig geworden und ist mittlerweile vergriffen.
Bei diesem Projekt haben mehrere Personen aus unserer Gruppe mitgewirkt. Das schönste Gefühl war, das fertig gedruckte Buch in den Händen zu halten.
Post-illuskills
Das Buchprojekt war nach illuskills, wie ging es sonst weiter?
Ich glaube, es ist einfach der Weg, den ich vorher nie bedacht hätte. Auf das Buch bin ich unheimlich stolz. Daraus hat sich das 'Live Zeichnen' als weiteres Angebot in meinem Portfolio ergeben. Ich habe schon für verschiedene Luxusmarken live gezeichnet. Bei Gucci und Louis Vuitton wurde ich zu Events eingeladen, um Portraits der Kund:innen zu zeichnen. Das hätte ich mir früher nie zugetraut. Aber durch das jahrelange Zeichnen vor Ort, ist es mir nicht mehr unangenehm gewesen. Menschen zeichnen ist ein heikles Thema. Ich könnte gar nicht den Zeitpunkt nennen, aber irgendwann habe ich mich sicher gefühlt. Ich war dort und die Leute waren begeistert. Das direkte Feedback war super. Außerdem gebe ich mittlerweile eigene Zeichen-Workshops.
Arbeit, Technik & Worklow
Mit welchen Techniken arbeitest du und wie sieht dein Workflow aus?
Da muss ich unterscheiden. Beim Urban Sketching arbeite ich klassisch mit Füllfeder, wasserfester Tinte und Aquarellfarben. Auch die Live-Zeichnungen mache ich analog. Wenn ich von Kunden Aufträge bekomme, dann arbeite ich auf dem iPad mit Procreate. Das unterstützt den Workflow, weil man einfach loslegen kann. Und die Korrekturen sind schnell gemacht. Da Illustrationen immer in digitaler Form gebraucht werden, spart man Zeit für Scannen und Bildbearbeitung.
Wie sieht ein Arbeitsprozess bei dir aus?
Ich gehe gern raus, etwa in Wien ins Kaffeehaus. Unterwegs mache Notizen oder Skizzen. Danach schaue ich es mir erst nach ein paar Tagen wieder an. Je nachdem, wie viel Zeit das Ganze erlaubt. Wenn es ein dringender Auftrag ist, kann man sich nicht ewig Zeit lassen. Mir macht Spaß, dass ich nicht immer am Schreibtisch hocke. Ich bin in einer Bürogemeinschaft. Wir sind zu zweit. Aber trotzdem nehme ich meine Sachen mit und gehe raus.
Woran arbeitest du aktuell?
Grafikdesign ist sicher noch der größte Teil meiner Arbeit. Ich habe einige reguläre Auftraggebende. Zusätzlich kommen immer wieder Kund:innen hinzu. Mal ist es grafisch, mal illustrativ, das ist ganz unterschiedlich.
Ich versuche gerade, den Stress aus dem Ganzen rauszunehmen. Ich halte es zum Beispiel schwer aus, nichts zu tun. Die Pausen sind genauso wichtig, wie das Tun selbst. In der Reflexion sieht man schnell, wie viel man tatsächlich gemacht hat. Es ist einiges weitergegangen in den letzten Jahren. Ich versuche hin und wieder einen Gang herunterzuschalten.
Was ist das Beste und was ist das Schlimmste an deiner Arbeit als Illustratorin?
Das Beste ist natürlich, dass ich meine Leidenschaft ausleben kann. Auch für andere Leute, nicht nur für mich selbst. Ich kann meinen Ideen nachgehen und erfülle trotzdem einen Zweck.
Das Negative ist die Getriebenheit. Es ist wahnsinnig schwierig, loszulassen.
Wie ist dein Umgang mit dem Spannungsfeld Brotjob vs. Leidenschaft?
Ich habe immer die Grafik als Brotjob angesehen, denn dort verdiene ich leichter Geld. Auf der anderen Seite ist Zeichnen meine Leidenschaft. Leider ist das Bewusstsein noch nicht ganz angekommen, welches Investment Illustration für ein Unternehmen sein kann.
Mittlerweile habe ich kein Problem mehr, abzusagen. Ich habe mich lange unter meinem Wert verkauft. Ich habe viel Zeit, Energie und Geld darin investiert. Ich möchte gut von meiner Arbeit leben können. Korrekte Bezahlung hat für mich auch die Kluft zwischen Brotjob und kreativem Schaffen verkleinert.
Tipps & Inspiration
Was inspiriert dich?
Reisen war immer schon meine Inspirationsquelle. Es gibt so viele Details, die man aufsaugen kann, seien es Ornamente oder Türbeschläge. Es muss auch nicht immer am anderen Ende der Welt sein. Ich glaube, im Burgenland sind auch Motive, die ich zu Hause nicht habe, die sehr inspirierend sind. Anstatt eines Handyfotos – einfach eine schnelle Zeichnung anfertigen. Das ist eine andere Form der Auseinandersetzung mit Dingen. Wenn ich Wartezeit überbrücke, nehme ich meinen Zeichenblock zur Hand.
Wir wissen alle: „Übung macht den Meister“. Aber wie hält man durch?
Ja, das ist etwas, was ich selbst nicht erklären kann. Ich hatte immer dieses Gefühl in mir, einfach weiterzumachen. Auch eine Menge schlechter Zeichnungen gehören dazu. Die braucht man auch, um den Fortschritt zu sehen. Jetzt bin ich an einem Punkt, von dem hätte ich vor ein paar Jahren nur geträumt. Dafür sind auch Skizzenbücher gut. Manchmal geht lange nichts weiter und plötzlich macht man riesige Schritte. Das kann man gar nicht planen, man muss einfach tun und dem Prozess vertrauen.
Ich habe immer versucht, einen positiven Zugang zu Themen und Motiven zu finden. Speziell zu denen, die ich nicht sonderlich gut konnte oder nicht mochte. Da muss man sich selbst austricksen.
Welchen Rat kannst du Beginner:innen geben, die in der Illustrationsbranche Fuß fassen möchten?
Alles probieren. Zeichnen, Malen, verschiedene Techniken und Materialien austesten. Den Themenbereichen nachgehen, je nachdem, was leichtfällt und was einen interessiert.
In meinem Fall ist es das Reisen und die Meerestiere. Wenn man mit Leidenschaft dahinter ist, gibt man nicht so leicht auf. Man braucht den richtigen Motivationsschub. Außerdem muss man viel mit Leuten sprechen. In Wien gibt es ein großes Netzwerk, mit Gruppen und Treffen aller Art. Hingehen und reden.
Es kann hilfreich sein, ein zweites Standbein zu haben. Das hilft anfangs, um den Stress herauszunehmen. Mir hat das sehr geholfen.
Wo bist du vertreten? Wo findet man dich und deine Illustrationen?
Auf meiner Website und auf www.urbansketching.at findet man alles rund um Urban Sketching. Aktiv bin ich zudem auf Instagram. Sowohl unter sandfarbe als auch mit den urbansketchersvienna.
Ich war die letzten Jahre am Wintermarkt der Akademie der bildenden Künste vertreten. Die T-Shirts sind im Gerngroß Concept Store auf der Mariahilfer Straße erhältlich. Vieles mehr gibt es auch in meinem Onlineshop.
Sandra, vielen Dank für das feine Gespräch.
Bitte, gerne. Hat mich sehr gefreut.